Einführung des Kunstdüngers 1884
Über die Einführung beziehungsweise Anwendung des Kunstdüngers in Wildenreuth
Aufgezeichnet von Oberlehrer Georg Götz
Bei meinem Dienstantritt am 1.1.1884 in Wildenreuth war der Kunstdünger in Wildenreuth so viel wie eine unbekannte Größe. Das Krautfeld wurde hie und da mit teurem „Guano“ gedüngt.
Am 15.6.1888 (Todestag des Kaisers Friedrich III.) lernte ich den Bruder des Herrn Baron – Adalbert Freiherr von Podewils, München, Direktor der Fäkalien- und Extraktfabrik zu Augsburg – kennen. Bei einem beabsichtigten Waldspaziergang erreichten wir weder den oberen noch den unteren Wald. Wir stiefelten über die Knierermühle nach Gössenreuth und kehrten so nach 5 Uhr beim Wagner (Wirt Wolf Trötsch) ein. Als wir uns so um 7 Uhr zur Heimkehr rüsteten, gesellten sich zu uns die Gössenreuther und Ba-cher Bauern und die Nachtsitzung begann. Bald drehte sich die, Unterhaltung um die gegenwärtige Heuernte und die nahende Getreideernte und von da zu den Düngemitteln. „Welchen Kunstdünger wendet Ihr hier an?“ – „Gar keinen – hilft ja doch nichts“, sprach der eine Bauer. Der andere fuhr fort: „Dann ist er viel zu viel teuer bei den niedrigen Getreidepreisen“. Baron Adalbert von Podewils wendete hier ein: „Ihr müßt wenigstens einen Versuch machen, daß Ihr seht, welcher Dünger einen Erfolg verspricht“. Darauf versetzte ich: „Ehe man einen Düngeversuch ausführt, sollte man den Ackerboden untersuchen lassen, um zu erfahren, welche Pflanzennährstoffe dem Boden fehlen“. Dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung.
Im Frühjahr 1889 nahm ich von den Flurteilen: Langengewend, Gössenreuth, Glaserberg, Ritzling, Schafhof, Galgen ungedüngte Erdproben – 6 Kistchen – und schickte sie zur Untersuchung an die Agrarkulturbotanische Anstalt in München. Der Befund lautete: Der Boden sämtlicher Proben ist äußerst kalkarm, weniger als 1/10 usw. Um jedermann, der sehen wollte, vor Augen zu führen, daß der Wildenreuther Ackerboden kalkhungrig sei, gewann ich nach mancherlei Umfragen den Bauern Wilhelm Häupler zu Gössenreuth Nr. 3, der im Oktober 1891 den Langacker (Kleefeld), der an der Straße Wildenreuth-Gössenreuth liegt, mit Kalkstaub (Regensburg) düngte und zwar bloß zur Hälfte.
1892 hörte man im Sommer die vorübergehenden Landwirte sprechen: „Häupler hat bloß den halben Acker mit Klee angesät“ – Klee wuchs üppig heran. Die ungedüngte Hälfte zeigte Sauerampfer, der den kümmerlichen Klee überwucherte. Die Annahme, in hiesiger Gegend wachse wegen des rauhen Klimas kein Klee,war durch das Versuchsfeld widerlegt. Bis Anfangs der Jahre 1890 – 1895 kam es häufig vor, daß Kühe im Frühjahr infolge der Winterfütterung wegen Knochenbrüchigkeit hinkten, schwerfällig sich bewegten. Der Volksmund bezeichnete diese Krankheit als Rheumatismus.
Beim Bauern Ullmann in Gössenreuth wurde der 2. Düngeversuch ausgeführt. Ein Kartoffelfeld wurde in 6 gleiche Rechtecke geteilt und gedüngt:
1. Thomasmehl
2. Kainit
3. Stallmist
4. Ungedüngt
5. Thomasmehl, Kainit
6. Thomasmehl, Kainit, Stallmist
Am 14. April 1894 (zu spät, hätte schon im Herbst 1893 geschehen sollen) wurde der 1. Düngeversuch auf der Lukaswiese (linkes Ufer des Sauerbaches in der Gemeinde Kirchendemenreuth) ausgeführt. Frau Barbara Steinhauser, geb. Trötsch streute Thomasmehl und Kainit aus. 14 Tage regnete es nicht. Ein sonderbares Bild bot die neu gedüngte Wiese – vielleicht das 1. Mal seit Erschaffung der Welt gedüngt – Fast jeder Wurf des Kunstdüngers war ausgebrannt. Frau Steinhauser konnte die Bemerkung bei der Heuernte nicht unterdrücken: „Da habn's ihren neumodischen Kram. Die Flecken rühren von dem scharfen Zeug her“. Aber die Grummeternte war um so reichlicher ausgefallen.
Im Jahre 1895 machten wir im oberen Schloßgarten (Wiese) einen Düngeversuch – ähnlich dem Kartoffelfeldversuch. Eine Besichtigung des Schloßgartens be-kehrte viele, die unsere Versuche für wertlos hielten. Jahr für Jahr wurden von Herrn Baron Adalbert von Podewils geleitet -neue Düngungsversuche unternommen und von anderen Landwirten nachgemacht. Welche Fortschritte in der Landwirtschaft in der Wildenreuther Gemeinde erreicht wurden, kann jeder alte Wildenreuther deutlich sehen, wenn er durch die Gramlhofer Flur geht und sich erinnert, wie es da vor 50 Jahren aussah. Selbstredend schafft der Kunstdünger allein nicht Wunder, sondern die Tüchtigkeit und der Fleiß des Landwirts, die den Dünger auch richtig anzuwenden wissen.
Auch hier gilt: „Die rechte Goldgrub ist der Fleiß
für den, der ihn zu üben weiß.“
Aufgezeichnet von Oberlehrer Georg Götz am 15.10.1937