Ortschronik Wildenreuth

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Bereinigung der Guts­herrlichen Zuständig­keiten


Vorschriften die die früheren Landsassen und jetzigen Gutsbesitzer bei den zuständigen staatlichen Behörden zu beachten hatten – Auszüge für Wildenreuth und Umgebung.

Die Edikte vom 20. April 1808 über die Aufhebung der Edelmannsfreiheit und vom 8. September des gleichen Jahres über die Patrimonialgerichtsbarkeit bewirkten eine einschneidende Veränderung des aus der territorialstaatlichen Periode überkommenen Rechtszustandes einer feudalen Gesellschaftsordnung. Nunmehr sollte die im Zusammenhang mit der Edelmannsfreiheit gestandene Berechtigung zur Ausübung der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit nur noch auf einen geschlossenen Bezirk belassen bleiben, der mindestens 50 ansässige beständige Familien zu umfassen hatte. Diese gutsherrlichen Gerichte waren wie bisher für die nichtstreitige Gerichtsbarkeit in vollem Umfang zuständig, während für die über diese Fälle der niederen Gerichtsbarkeit hinausgehende Ausübung der streitigen Zivilgerichtsbarkeit und die Strafrechtspflege die neu geschaffenen Landgerichte zugleich als administrative Behörden des unteren staatlichen Aufbaues und deren übergeordnete Ihstitutionen zuständig waren.

Die vorerst auf ein geschlossenes und zusammenhängendes Gebiet eingeschränkte gutsherrliche Gerechtsame wurde durch das Edikt vom 16. August 1812 insofern auf den Stand etwa um 1806 zurückgeführt, als eine gebietliche Ausweitung des Zuständigkeitsbereiches über die geschlossene Gutsherrschaft hinaus zugelassen wurde, wenn dadurch die erforderliche Mindestanzahl an 50 ständigen Familien erreicht werden konnte.
Diese gutsherrschaftlichen Gerichte hießen dann „Ortsgerichte“ und für größere Gutsbezirke bei einer Mindestanzahl von 300 beständigen Familien „Herrschaftsgerichte“. Während den zähen Auseinandersetzungen der früheren Landsassen und jetzigen Gutsbesitzer mit den zuständigen staatlichen Behörden um die weitere Erhaltung ihrer oft seit vielen Generationen besessenen Eignung zur Ausübung dieser Gerechtsame ist vielfach nicht einmal bei den Ortsgerichten, geschweige denn zu Herrschaftsgerichten die erforderliche Mindestanzahl an seßhaften Familien zusammengekommen oder durch Erwerb von Gütern fremder Grund-holden eben gerade noch erreicht worden. Im Bereich des LG Neustadt/WN waren ohnehin nur für Ortsgerichte die entsprechenden Vorraussetzungen gegeben, die durch das neuerliche Edikt über die gutsherrliche Gerichtsbarkeit vom 26. Mai 1818 weiterhin als Patrimonialgerichte je nach der Befugnis zur Ausübung der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit oder freiwilligen Gerichtsbarkeit allein in Klasse I und Klasse II unterschieden wurden. Die aufgrund der zuvor geltenden Bestimmungen errichteten Ortsgerichte wurden fallweise in einem Zeitraum von mehreren Jahren aufgelöst; einige vormalige gutsherrliche Gerichte blieben als Patrimonialgerichte auch weiter bestehen, bis durch das Gesetz vom 4.Juni 1848 diese Patrimonialgerichtsbarkeit mit Wirkung vom 1. Oktober des gleichen Jahres aufgehoben wurde und die bis dahin noch in Relikten bestandene standesherrliche Gutsgerichtsbarkeit einer überlebten feudalen Zeitperiode auf den Staat überging. Im Landgericht älterer Ordnung Neustadt/WN bestanden anfangs der Dreißigerjahre zwei solcher Patrmonialgerichte I. Klasse und 10 Patrimonialgerichte II. Klasse. Bei drei Patrimonialgerichten lag der Sitz und das Hauptgut in den benachbarten LG (ä0) Kemnath und Vohenstrauß.

Patrimonialgerichte I. Klasse:
Krummennaab mit 77 Familien in Krummennaab (49), Sassenhof mit Polier (4), Nottersdorf (2 mittelbare und 2 unmittelbare Familien), Gleißenthal (1 mittelbare und 1 unmittelbare Familie – die übrige Familie gehörte zum Patrimonialgericht Windischeschenbach), Steinreuth (5 mittelbare und 13 unmittelbare Familien). Wildenreuth mit 85 Familien in Wildenreuth samt Ziegelhütte (57 mittelbare Familien), Frodersreuth (8 mittelbare Familien), Gössenreuth (7), Birkenreuth (5), Glashütten (4), Gramlhof (1), Knierermühle (1), Neumühle (1) und Schrobelmühle (1 Familie).

Patrimonialgerichte II. Klasse:
Burggrub mit 44 Familien in Burggrub (21), Reisermühle (1), Püllersreuth 1 mittelbare, 17 unmittelbare Familien), Naabdemenreuth (1 mittelbare und 3 unmittelbare Familien, die übrigen 4 gehören zum Patrimonialgericht Trautenberg). Döltsch mit 25 Familien in Döltsch.

Neuenreuth mit 16 Familien in Neuenreuth (7 mittelbare und 9 unmittelbare Familien). Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit zur Ausübung der Patrimonialgerichtsbarkeit wurde als ausreichender Beweis die Eintragung als Landsassengut in der pfalzneuburgischen Landtafel anerkannt und dem Gutsbesitzer ein weiterer Nachweis über die Eigenschaft des Gutes als sulzbachische Landsasserei erlassen.

Die in gleicher Weise noch aus der Zeit der territorialstaatlichen Ära überkommenen Lehensverhältnisse standen in dieser Phase der Neuregelung der Behördenorganisation ebenfalls zur Bereinigung an. Sie unterschieden sich in folgende Provenienzkategorien – Ursrünglich oberpfälzische Ritterlehen: Das Gut Krummennaab als durchgehendes Söhne- und Töchterlehen im Besitz von Georg von Grafenstein. Letzte Belehnung im Hauptfall am 7. November 1799, dazu die ebenfalls als Söhne- und Töchterlehen (durchgehendes) geltende Mühle zu Krummennaab, deren letztmalige Belehnung mit dem Gut selbst 1799 erfolgte. Die Veste Thumsenreuth als Mannlehen im Besitz von Johann Christoph Heinrich Wilhelm von Lindenfels, dazu ein Hof in Eiglasdorf. Letzte Belehnung im Hauptfall am 16. November 1799.

Die Hut zu Floß, genannt Kalmreuth, drei Höfe zu Edeldorf, 2 Höfe zu Meierhof mit allen Ein- und Zugehörungen als ein Rittermannlehen im Besitz von Franz Friedrich Jakob und Wilhelm Friedrich von Podewils Gebrüder. Letztmalige Belehnung im Hauptfall am 20. Januar 1800.

Ursprünglich brandenburgische Ritterlehen:
Das Gut Wildenreuth als Rittermannlehen im Besitz von Friedrich Freiherr von Lindenfels als Lehensträger der Philippine Carola von Podewils. Das Gut Burggrub als Söhne- und Töchter 4. Ritterlehen im Besitz von Franz Carl von Sauerzapf.

Diese Lehensrechtlichen Bindungen wurden zumeist schon bei erstmals sich bietender Gelegenheit durdh Zahlung einer Ablösungssumme zu freiem Eigentum oder zu bodenzinsigem Eigentum umgewandelt so wie dies auch bei den gleichartig gelagerten Verhältnisse im benachbarten LG Kemnath, das die meisten adeligen Gutsbesitzungen der weitesten Um-gebung aufzuweisen hatte, der Fall gewesen ist. Dabei lag es in der vielfachen Verknüpfung von persönlichen, familiären und allgemeinen Interessen, daß sich die bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts angestrebte Überleitungder gutsherrlichen Jurisdiktion, die sich im wesentlichen auf die niedere Gerichtsbarkeit bezog, und damit auch zusammenhängend die Bereinigung der Lehenszuständigkeiten im Sinne deren Löschung einen längeren Zeitraum beanspruchte und entsprechend den vielfach sich auch überholenden gesetzlichen und administrativen Bestimmungen erst zur Jahrhundertmitte abgeschlossen wurde. Im einzelnen bestanden während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgende, mit patrimonialgerichtlicher Befugnis ausgestattete Gutsbezirke weiter.

Wildenreuth
Zum vormals markgräflich-brandenburgischen Lehengut gehörten nebst einem großen Waldbestand (47,95 % der gesamten Liegenschaften) die Dörfer Wildenreuth, Frodersreuth, Birkenreuth und die Einöden Glashütten und Ziegelhütte sowie das allodiale (allod) Gut Gössenreuth. Die Gutsherrliche Gerichtsbarkeit war seit dem Spätmittelalter als ein in der seinerzeitigen Jungen Pfalz beziehungsweise im Fürstentum Sulzbach anerkanntes jus reale hergebracht.
Das Lehensverhältnis änderte sich bei der Übernahme der Markgrafschaft Bayreuth in das Königreich Bayern nur insoweit, als Wildenreuth fortan ein bayerisches Rittermannlehen geworden ist. Gutsinhaber waren als Lehensträger Friedrich von Lindenfels auf Thumsenreuth und als Alleineigentümerin Karolina von Wissell, geborene von Podewils und vormals verheiratete von Vittinghoff. Zur Bildung eines Ortsgerichtes im Jahr 1813 wurden einschließlich der Herrenmühle, der Knierermühle und der Neumühle 101 beständige Familien gemeldet. Dann wurde aber der Gutsbezirk durch Einbeziehung der mit Zessionsvertrag vom 26. September 1813 von Friedrich von Lindenfels sowie Freifrau von Jeetze, geborene von Benkendorf abgetretenen Hintersassen von Steinbach und Neuenreuth sowie einigen anderen tauschweise überlassenen Grundholden auf 169 Familien erweitert und am 27. August 1818 der Antrag auf Bildung eines Patrimonialgericht I. Klasse gestellt.
Das Patrimonialgericht I. Klasse Wildenreuth wurde am 30. November 1818 bestätigt. Mit Lehensbrief König Ludwigs vom 31. August 1833 für den Lehensträger Friedrich von Lindenfels auf Thumsenreuth wurde aus Anlaß des Todes König Maximilians Joseph das letzte Mal das Rittergut im Hauptfall an Karoline von Wissell verliehen. Sie starb am 14. 0ktober 1837.
Noch 1835 hatte sie durch Lehenssuccessionsvertrag ihren Franz von Podewils als alleinigen

Nachfolger in der Besitzinhabung des Rittermannslehens bestimmt, dem die Kreisregierung Bayreuth am 2. Dezember 1837 die nach den Bestimmungen des Lehensedikts vorgeschriebene Mutung bestätigte. Nach dessen Tod am 8.Oktober 1843 übernahm der älteste Sohn Friedrich von Podewils, Landrichter zu Stadtamhof, den Besitz. Er erklärte am 10. April 1848 seinen Verzicht auf den Anspruch der Patrimonialgerichtesbarkeit I. Klasse , da mit der beabsichtigten neuen Organisation der Gerichte und der damit in Verbindung stehenden Trennung der Justiz und Verwaltung der Fortbestand der gutsherrlichen Gerichtsbarkeiten nicht mehr vereinbar ist.
Damit wurde das vormalige Landsassengut und nachmalige Patrimonialgericht I. Klasse mit Gewährung der verfassungsmäßig zustehenden Entschädigung der Taxerträgnisse 1848 zum Staat eingezogen und mit Entschließung vom 19.Dezember 1848 der königlichen Gerichts-und Polizeibehörde Reuth einverleibt.

Schönkirch
Gemäß den Bestimmungen des Preßburger Friedensschlusses von 1805 wurde das vormals königliche böhmische Kronlehen nach einer letztmaligen Belehnung an Rittmeister Joseph von Reitzenstein mit dem Lehensbrief des österreichischen Kaisers Franz II. vom 6. Dezember 1803 nunmehr als königlich-bayerisches Mannlehen dem gleichen Gutsinhaber verliehen.

1800: 537 Seelen, 95 Häuser, Hoffuß 4.
Nach dem Tod von Joseph von Reitzenstein wurden Christoph Wilhelm und Christoph Carl von Reitzenstein am 24.September 1813 mit dem Gut belehnt. In Fortsetzung der hergebrachten Gerichtsbefugnis wurde mit königlichem Rescript vom 30. November 1814 ein Ortsgericht gebildet, das aus Schönkirch und den Einzelhöfen Bodenmühle, Schleif, Kellerhaus und Kronhaus mit 110 beständigen Familien bestand. Christoph Wilhelm von Reitzenstein, der mit der Umwandlung des vormali-gen Lehens der Krone Böhmens in ein Mannlehen des Königreiches Bayern nicht einverstanden war und sich in Prag aufhielt, bestimmte von dort am 30. Oktober 1814 seinen Vetter Ernst von Reitzenstein auf Reuth zu seinem Vertreter für alle gutsherrlichen Verhältnisse gegen das errichtete Ortsgericht. Mit Zuerkennung des Status eines Patrimonialgericht I. Klasse und der alsbaldigen Umwandlung in ein Patrimonialgericht II. Klasse wurde Schönkirch gleich Plößberg, Wildenreuth und Schlattein dem Landgericht Tirschenreuth eingegliedert.

Püchersreuth
Das vormals pfalz-sulzbachische Landsassengut war seit dem landesherrlich genehmigten Teilungsvertrag von 1584 in zwei eigenständige Besitzanteile, daher auch zwei Schlösser, jedoch nur eine simultane Pfarrkirche, getrennt.
1800: 282 Seelen, 43 Häuser. Bei der Bildung des Ortsgerichtes erwarb am 26. Juli 1813 der eine Gutsherr, Appellationsgerichtsrat Joseph von Korb, 11 weitere Hintersassen durch Tausch hinzu und die Inhaberin des anderen Gutsanteiles, Caroline von Wissell auf Wildenreuth, verzichtete zunächst auf die gutsherrliche Gerichtsbarkeit über ihre Hintersassen in Püchersreuth.
Später wird ihr Gutsanteil als ein Patrimonialgericht II. Klasse verwaltet, das als ein Patrimonialgericht I. Klasse gebildet worden war. Gerichtshalter des einen war Leopold Premitzer zu Waldau, der andere Ferdinand Weiß, nunmehr zu Krummennaab. Das Hauptgewicht lag indes beim Patrimonialgericht II. Klasse des von Korb’schen Anteils. Anläßlich einer späteren Besitzübereignung wird am 22. September 1847 von der Kreisregierung bekundet, daß als neuer Gutsherr Oswald Georg von Wilhelm auf Wildstein im Egerland und königlichböhmischer Kronlehensvasall auf Fleißen in dem Kataster über die gutsherrlichen Gerichte im Regierungsbezirk Oberpfalz und Regensburg eingetragen worden sei. Demnach wurde also hier die standesherrliche Gerichtsbarkeit bis zu ihrer allgemeinen Aufhebung im Jahr 1848 ausgeübt.

 

Gutsherren auf Wildenreuth

Die Wild in Wildenreuth von 1362 bis 1611
Die Wild in Krummennaab von 1356 bis 1382
Die Podewils in Wildenreuth von 1611 bis ins 21. Jahrhundert auf Döltsch
– (1739 – 1760) auf Kalmreuth
– (vor 1736 bis 19. Jahrhundert) auf Püchersreuth
– ( seit Mitte des 17. Jahrhundert – auch Lehensträger des böhmischen Kronlehens Mohrenstein bei Püchersreuth)

 

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