Ortschronik Wildenreuth

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Geschichte der Glocken und Turmuhr in Wildenreuth



Im Jahre 1985 wurden im Rahmen der Außenrenovierung der Jakobuskirche die Zifferblätter und die Zeiger vom Turm genommen.

Die Turmuhr, 1913 von Friedrich Carl Freiherr von Podewils anläßlich seiner Hochzeit gestiftet, wurde ausgebaut und einer Generalüberholung unterzogen. Sie ist eine der letzten noch im Gebrauch stehenden mechanischen Turmuhren in Bayern. Namhafte Uhrenfirmen rieten der Simultankirchenstiftung: „Werft’s die Uhr raus und kauft's eine neue elektrische. Die kostet euch genausoviel wie die Renovierung der alten Uhr“. Doch waren Generationen mit der alten Uhr zufrieden und es war für die Simultankirchenverwaltung nicht einsehbar, warum eine funktionierende alte Uhr einfach weggeworfen werden sollte. Darum wurde die alte Uhr lediglich überholt und die bis jetzt von Hand aufzuziehenden Gewichte werden nun elektrisch aufgezogen.

Die Renovierung der Turmuhr ist ein Grund, einmal Rückschau zu halten auf die Geschichte unserer Glocken und Turmuhren in Wildenreuth. Fangen wir mit den Glocken an:

Bereits im 17. Jahrhundert, also spätestens in der Zeit nach dem großen Dorfbrand von 1632, hatte die Jakobuskirche drei Glocken. Seit dem Jahre 1700 wurde in der Gemeinde für eine neue, große Glocke gesammelt. Nach Abschluß der Sammlung 1711 wurde am 12.8.1712 zwischen dem Patronatsherrn Christoph Wilhelm von „Pudewels“ und dem evangelischen Pfarrer Johann Adam Fuchs einerseits und dem Glocken- und Kanonengießer Balthasar Platzer von Eger andererseits folgender Vertrag geschlossen: Platzer hatte eine große Glocke zu 6½ Zentner aus frischer Speise zu gießen sowie eine kleine Glocke zu 2 Zentner. Als Material für die kleine Glocke wurden ihm die beiden kleineren Glocken aus dem Wildenreuther Kirchturm geliefert – als Material für die große Glocke dienten erbeutete türkische Kanonen, die aus dem Kampfgebiet auf dem Balkan hinter die Fronten gebracht wurden.

Die beiden neugefertigten Glocken kamen mit ihrem Meister aus Eger am 23.10.1712 Nachts um 10 Uhr in Wildenreuth an und wurden am 26.10.1712 in den Turm neben die verbliebene frühere große Glocke gehängt. Am 27.10.1.712 läutete das neue Geläute zum ersten Mal anläßlich der evangelischen Betstunde. Die neue große Glocke des Balthasar Platzer ist uns glücklicherweise erhalten geblieben. Sie hat den Ton b’, ihr Gewicht ist in den Akten unterschiedlich angegeben (400 kg, 7 Zentner, 10 Zentner). Ohne Krone ist sie 65,5 cm hoch, mit Krone 87,5 cm, der Durchmesser beträgt 88 cm und sie hat die Aufschrift: „Balthasar Platzer goß mich in Eger 1712 soli Deo gloria (Allein Gott die Ehre)“. Dazu ist das Motiv des gekreuzigten Christus auf der Glocke angebracht. Die Glocke ist sehr schön im Anblick und reich ornamentiert.

Noch ein Wort zu Glockengießer Balthasar Platzer. Historische Bedeutung hat er vor allem erlangt als Patenonkel und Lehrmeister des berühmten Barockbaumeisters Balthasar Neumann, der unter anderem die berühmte Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen und die Würzburger Residenz schuf. Am 30.1.1687 hat Balthasar Platzer den kleinen Balthasar Neumann zu St. Niclas in Eger über das Taufbecken gehalten, 1709 wird Neumann als Gehilfe in der Platzerschen Werkstatt erwähnt. 1711 ging Neumann zu Johann Ignaz Kopp nach Würzburg in die Gießerei, sodaß Neumann am Guß der Wildenreuther Glocke 1712 nicht mehr beteiligt war. Von Platzer sind heute kaum mehr Glocken vorhanden; die letzten fielen den beiden Weltkriegen zum Opfer bzw. den Umgußaktionen danach.

Den ersten Weltkrieg überstand die große Glocke ganz gut – sie wurde zu Kriegszwecken „vorläufig“ nicht abgegeben, da sie historischen Wert bereits damals hatte. Dafür wurde die Glocke am 30.4.1942 aus dem Turm genommen und mitsamt der mittleren Glocke nach Hamburg zum Einschmelzen abgegeben; die Kirchendemenreuther Glocken wurden am selben Tag „abgenommen“, indem sie bereits im Kirchturm an Ort und Stelle zertrümmert und die Trümmer den Turm hinabgeworfen wurden.

Die Barbarei des zweiten Weltkrieges hat die große Glocke wie ein Wunder überlebt. Am 1. Juli 1947 konnte sie im Dorf wieder feierlich in Empfang genommen werden und läutete zum ersten Mal wieder am 3. Juli 1947 anläßlich eines Hagelgottesdienstes. So läutet die große Glocke seit dem Jahre 1712 bis auf eine Unterbrechung (1942 – 1947) im Turm und erinnert an die Zeiten, in denen die Menschen nicht so glücklich lebten wie heute.

Die beiden anderen Glocken im Wildenreuther Kirchturm, die mittlere und die kleine, sind öfters umgegossen worden. Immer wieder zersprangen sie beim Läuten. Die kleine Glocke wurde zum letzten Mal im Jahre 1878 von Glockengießer Friedrich Heinz in Bayreuth umgegossen, die mittlere im Jahre 1899 von der Firma Karl Heller in Rothenburg ob der Tauber. Beide Glocken wurden am 29. Juli 1917 aus dem Turm genommen und zu Kriegszwecken eingeschmolzen. Die große Glocke hingegen blieb damals der Gemeinde erhalten.

Nach dem ersten Weltkrieg lieferte die Firma Hahn in Landshut zwei neue Glocken. Ihre Harmonie mit der alten großen Glocke wurde jedoch schon damals als katastrophal bezeichnet. Überlegungen, für Wildenreuth überhaupt ein neues Geläut anzuschaffen, machte der zweite Weltkrieg zunichte. Am 30. April 1942 wurde die alte Platzersche Glocke sowie die mittlere Glocke zu 250 kg aus dem Turm geholt – die kleine Glocke zu 120 kg blieb als Rufer zum Gottesdienst und zum Gebet erhalten. Am 1. Juli 1947 kehrte die große Glocke wieder vom Hamburger Glockenfriedhof nach Wildenreuth zurück, sodaß nun die große und eine kleine Glocke miteinander im Turm hingen.

Als Pfarrer Christoph Schmidt 1948 nach Wildenreuth berufen wurde, galt es u.a der katastrophalen Glockensituation in den Gemeinden Herr zu werden. Die Kirchendemenreuther hatten nur noch eine kleine Glocke – die anderen waren 1942 zertrümmert worden – die Wildenreuther ein völlig unharmonisches Geläute aus einer großen und einer kleinen Glocke. Durch eine glückliche Fügung geriet Pfarrer Schmidt an Friedrich Wilhelm Schilling, heute unter Fachkreisen als der bedeutendste Glockengießer des 20. Jahrhunderts berühmt. Schilling lieferte 1950 für Kirchendemenreuth zwei neue Glocken, die mit der verbliebenen kleinen Glocke einen qualitätsvollen Dreiklang bilden. Nachdem Pfarrer Schmidt in Kirchendemenrehth so gut von Schilling bedient worden war, verhandelte er mit ihm wegen Anschaffung eines neuen Geläutes für Wildenreuth. Die Verhandlungen ergaben, daß die kleine Hahn’sche Glocke an die Firma Schilling zum Einschmelzen abgegeben wurde und daß dafür Schilling zwei neue Glocken lieferte. Die große Glocke wurde aus denkmalpflegerischen Gesichtspunkten beibehalten.

Am Freitag, den 4. April 1952 erfolgte gegen 18.50 Uhr die Einholung der neuen Glocke ab der Ostmarkstraße. Am Palmsonntag, den 6. April weihte Benefiziat Köferl die Glocken nach römisch-katholischem Ritus, am Ostersonntag, den 13. April übergab Oberkirchenrat Koller von Regensburg die Glocken ihrem gottesdienstlichen Gebrauch. Die mittlere Glocke hat den Ton des’’, wiegt 175 kg, hat einen Durchmesser von 66 cm und trägt die Aufschrift: „Betet ohne Unterlass“ (1. Thess. 5, 17). Sie dient als Betglocke und läutet die Tageszeiten an. Die kleine Glocke hat den Ton es’’, wiegt 120 kg, hat einen Durchmesser von 59 cm und trägt die Aufschrift: „Ich bin das A und das 0, der Anfang und das Ende, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt“ (Off. 1,8), Sie dient als Tauf- und Sterbeglöcklein.

Seit 1952 hängt also das Geläute vollständig im Turm. Die Klangqualität der beiden Schilling-Glocken ist der alten Platzer-Glocke bei weitem überlegen – der damalige Glockensachverständige LKMD Prof. Friedrich Högner urteilte sogar: „Man muß in Deutschland schon sehr lange suchen, bis man auf Glocken mit solcher Resonanz stößt“. In der Tat – wer in einer besinnlichen Minute einmal das Abendläuten sich genau anhört, der wird dem schon als Laie zustimmen können.

Es ist der Bayreuther Turmuhrenfirma damals nicht gelungen, die neuen Motoren zum Aufziehen der bisher von Hand hochgezogenen Gewichte herbeizuschaffen. Darum befand sich die alte Turmuhr immer noch in der Werkstätte in Bayreuth, zwar schon generalüberholt, aber immer noch ohne Aufzugsmotoren. Als Ersatz hatte nun die Firma vorläufig eine Uhr in den Turm gebaut, die zwar die Zeiger treibt, aber nicht die Glockenschläge.

Die Turmuhr in der Kirche war die einzige öffentliche Uhr in Wildenreuth. Die erste Erwähnung findet sich in der „Rechnung über Einnahm und Ausgab bey dem Lobwürdigen Gottes-Hauß Sct. Jacob zu Wildenreuth, von Marien Lichtmeß Anno 1772, biß wieder dahin 1773, geführt durch Johann Schieder, Evang. Kirchen Probst“ (Kirchenpfleger). Nach dieser Rechnung gab Schieder damals 10-Kreuzer aus für „Baum-Oel zum Uhr- und Glocken-Schmieren“. Ein Hinweis darauf, daß bereits damals eine Turmuhr vorhanden war. Leider sind aus der Zeit davor keine Kirchenrechnungen erhalten, so daß das Anschaffungsjahr der ersten Uhr nicht ermittelt werden kann.

In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts brach dann ein Streit aus zwischen der evangelischen und der katholischen Kirchenverwaltung: die alte Uhr war nicht mehr zu reparieren und die evangelische Kirchenverwaltung wollte beim Großuhrmacher und Menchaniker Johann Konrad Hollweg in Nürnberg eine neue Uhr bestellen. Sie bat darum die katholische Kirchenverwaltung, dem Vertrag beizutreten und die Hälfte der Kosten zu übernehmen. Die Weigerung der katholischen Kirchenverwaltung führte daraufhin zu einer Entschließung des Bezirksamtes Kemnath vom 26.September 1867, daß die politische Gemeinde Wildenreuth wegen des politischen Öffentlichkeitscharakters der Uhr die Kosten zu tragen habe.

Die 1870 neu angeschaffte Uhr lief zu großer Unzufriedenheit der Gemeinde. Darum entschloß sich Friedrich Carl Freiherr von Podewils anläßlich seiner Verheiratung mit Frl. von Reitzenstein im Jahre 1913, der politischen Gemeinde eine neue Uhr zu stiften. Diese wurde kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges durch die Firma Mannhardt in München erstellt und eingebaut. Sie lief seitdem zur vollsten Zufriedenheit. Nach längeren Verhandlungen die seit 1983 durch Freiherrn von Bettschart mit der Stadt Erbendorf als Rechtsnachfolgerin der politischen Gemeinde Wildenreuth geführt wurden, einigten sich Stadt und Kirchenverwaltung auf einen Kompromiß: Die Turmuhr ging in den Besitz der Simultankirchenstiftung über – dafür zahlte die Stadt Erbendorf an die Kirchenstiftung 15.000,- DM hinaus zur Elektrifizierung des Uhrwerkes. Der Vertrag wurde am 17. Dezember 1986 durch Bürgermeister Rudi Trastl, BGR Bertelshofer und Pfarrer Volker Wappmann als Vorsitzenden unterzeichnet.

 

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